Die Geburt
So
rasch
es
ihr
möglich
war,
lief
Sarah
die
Straße
entlang.
Der
Himmel
war
bereits
mit
dunklen
Gewitterwolken
überzogen
und
kaum
eine
Sekunde
später
begann
es
auch
schon
zu
regnen.
Dicke,
lauwarme
Tropfen
klatschten
ihr
so
heftig
ins
Gesicht, dass sie sich die Hand über die Augen halten musste.
Die
Innenstadt
wimmelte
um
diese
Zeit
von
Menschen
jeder
Herkunft.
Alle
hatten
es
schlagartig
eilig,
aus
dem
Regen
heraus
ins
Trockene
zu
gelangen.
Von
der
Straße
ertönte
das
Geschimpfe
eines
völlig
genervten
Autofahrers,
der
dem
jungen
Mann
im
schwarzen
Sportwagen
hinter
ihm
etwas
zuschrie,
während
dieser
wie
besessen
hupte:
»Ich
schlag
dir
gleich deine verdammte Hupe in die Visage, wenn du nicht damit aufhörst! Vollidiot!«.
Sarah
lief
schneller.
Nasse
Zeitungsblätter
klebten
auf
der
Straße
und
eine
leere
Zigarettenschachtel
kullerte
vor
ihr
her.
Ganz
kurz
nur,
als
der
Regen
zu
heftig
wurde,
flüchtete
sie
unter
einen
Torbogen
und
beobachtete
die
großen
Tropfen,
die
vor
ihr
auf
den
Boden
aufschlugen,
nach
allen
Seiten
spritzten
und
sehr
schnell
große
Lachen
bildeten.
Der
Himmel
begann,
sich
immer
mehr
zu
verdunkeln.
Grell
aufleuchtende
Blitze
huschten
über
das
regenverhangene
Firmament
und
der
darauffolgende
Donner
ließ
viele
Leute
vor
Schreck
zusammenzucken.
Neben
ihr,
im
beinahe
trockenen
Torbogen,
stand
eine
kleine
alte
Frau,
die
ängstlich
in
den
Himmel
blickte.
Sarah
wollte
die
Alte
schon
mit
ein
paar
netten
Worten
beruhigen,
als
ein
heftiger
Schmerz
ihren
Körper
durchzuckte.
Die
Greisin
drehte
sich
zu
ihr
um
und
lächelte.
»Es
ist
wohl
schon
an
der
Zeit,
meine
Liebe,
nicht
wahr,
ist
es
doch?«,
krächzte
sie
freundlich.
Sarah
versuchte,
zu
antworten,
doch
zu
groß
waren
ihre
Schmerzen.
Sie
musste
dringend
weiter.
Sie
lächelte
nur,
nickte
kurz
und
lief
aus
dem
Torbogen
hinaus
auf
die
Straße.
Im
Takt
ihrer
Schritte
atmete
sie
tief
ein
und
aus
und
rieb
sich
ihren
Bauch.
Die
Kleine
will
wohl
genau
jetzt
kommen,
dachte
Sarah
ängstlich,
doch
der
Schmerz
verschwand
nach
einigen
Sekunden
wieder.
Den
Kragen
ihrer
Jacke
höher
gezogen,
rannte sie weiter, doch das Regenwasser fand bereits einen Weg ins Innere und lief ihr kalt über den Rücken.
Bevor
Sarah
sich
entschließen
konnte,
die
U-Bahn
zu
nehmen
und
zu
riskieren,
ihr
Baby
in
einem
restlos
überfüllten
und
stickigen
U-Bahnwaggon
zu
bekommen,
tauchte
aus
dem
dichten
Verkehr
ein
freies
Taxi
auf.
Schnell
versuchte
sie,
es
heran
zu
winken.
Als
der
Fahrer
sie
bemerkte,
kam
er
nur
wenige
Millimeter
vor
ihren
Zehen
zum
Stehen.
Verwirrt
und
erschrocken
schüttelte
Sarah
den
Kopf,
wäre
er
ihr
doch
glatt
über
die
Füße
gefahren.
Mit
zittrigen
Händen
öffnete
Sarah
die
Wagentür und ließ sich auf den Rücksitz fallen.
Erleichtert
atmete
sie
aus,
gab
dem
Taxifahrer
die
Adresse
des
Krankenhauses
und
forderte
ihn
auf,
schnell
zu
machen.
Da
dieser
auf
keinen
Fall
riskieren
wollte,
dass
die
Frau
ihr
Kind
ausgerechnet
in
seinem
Taxi
bekam,
befolgte
er
ihre
Anweisung
ohne
ein
weiteres
Wort.
Als
er
das
Gaspedal
durchdrückte,
bereute
Sarah
ihre
Worte
bereits.
Um
sich
von
den
Schmerzen
der
Wehen
abzulenken,
hielt
sie
ihren
Blick
stur
auf
den
Hinterkopf
des
Taxifahrers
gerichtet.
Sie
starrte
die
kleine,
runde
Stelle
an,
die
sich
bereits
zu
lichten
begann.
Ein
kleiner
Kreis,
kaum
sichtbar
doch
eindeutig
vorhanden.
In
ein
paar
Jahren,
vielleicht
sogar
schon
Monaten,
je
nach
Stresslevel,
würde
man
bereits
nur
noch
die
Kopfhaut
sehen,
die
rosa
hervorleuchtete.
Der Fahrer fluchte leise vor sich hin, als ein rüder Motorradfahrer sich vor ihm in die Reihe zwängte.
Das
Taxi
brach
abwechselnd
nach
links
und
rechts
aus,
um
sich
im
Zickzack
durch
den
dichten
Verkehr
zu
winden.
Es
regnete
immer
stärker,
während
sie
über
die
Hauptstraße
nach
Westen
fuhren.
Die
Straße
hatte
sich
in
einen
großen,
mattgrauen
Spiegel
verwandelt.
Die
meisten
Fußgänger
hatten
ihre
Regenschirme
aufgespannt
und
viele,
die
nicht
das
Glück
hatten,
am
Morgen
an
einen
Schirm
gedacht
zu
haben,
flüchteten
sich
in
Hauseingänge
und
offene
Geschäfte.
Es
wurde immer düsterer und die Feuchtigkeit begann langsam, auch ins Wageninnere zu kriechen.
Über
der
Stadt
ballten
sich
immer
mehr
schwarze
Wolken
zusammen
und
der
Regen
strömte
so
heftig,
dass
die
Scheibenwischer
des
Taxis
kaum
noch
dagegen
ankamen.
Das
Prasseln
der
Tropfen
auf
dem
Wagendach
hörte
sich
an
wie
fernes Maschinengewehrfeuer. Sie fühlte sich wie in einem Kriegsgebiet und war doch so weit davon entfernt.
Sarah
dachte
an
ihr
Baby
und
streichelte
zärtlich
ihren
Bauch.
Mit
beruhigenden
Worten
flüsterte
sie
ihm
zu,
dass
es
keine
Angst haben müsse, es wäre ja nur ein Gewitter. Doch ihr Zuspruch galt mehr ihr selbst als dem ungeborenen Kind.
Einen
Moment
lang
hörte
das
Geprassel
des
Regens
auf,
als
sie
durch
einen
Tunnel
fuhren,
doch
schon
im
nächsten
Moment,
als
sie
ihn
wieder
verließen,
zerriss
ein
höllisch
lauter
Knall
ihr
beinahe
das
Trommelfell.
Glassplitter
wurden
durch
das
Wageninnere
geschleudert
und
instinktiv
duckte
sie
sich.
Sarah
ließ
sich
quer
auf
den
Rücksitz
fallen
und
rollte
sich
zusammen, um ihren Bauch und das junge Leben darin zu beschützen.
Etwas
Hartes,
Metallisches
bohrte
sich
quietschend
durch
die
Beifahrertür
und
den
Sitz
vor
ihr
und
kam
nur
wenige
Zentimeter
vor
ihrem
Bauch
zum
Stillstand.
Plötzlich
fühlte
sie
furchtbare
Schmerzen
an
ihrer
rechten
Körperseite
und
etwas
Warmes,
Klebriges
lief
über
ihr
rechtes
Auge
hinunter
zu
ihrem
Mund.
Sie
schmeckte
Blut.
Irgendjemand
schrie
um
Hilfe.
Eine
weitere
Stimme
jammerte
unaufhörlich
Oh
mein
Gott,
oh
mein
Gott
und
wieder
ein
anderer
redete
mit
unerwartet
leiser,
sanfter
Stimme
auf
sie
ein.
Sie
verstand
nicht,
was
er
sagte,
aber
es
klang
so
trostreich
in
ihren
Ohren,
dass
sie
sich
ein
wenig
entspannte.
Ihr
war
übel
und
alles
drehte
sich
wie
in
einem
Karussell.
Augenblicklich
hatte
sie
das
Gefühl,
dass
etwas
nicht
stimmte,
doch
sie
konnte
diesen
Gedanken
nicht
festhalten.
Einen
Sekundenbruchteil
später
wurde
es
schwarz
um
sie
herum.
Als
Sarah
wieder
zu
sich
kam,
sah
sie
einen
jungen
Sanitäter
an
ihrer
Seite.
Ein
skurril
aussehender
Typ
mit
orange
gefärbten
Haaren.
Was
ist
das?,
dachte
sie
und
trotz
großer
Schmerzen
überkam
sie
der
Impuls,
zu
kichern.
Doch
ein
erneuter
Schmerz
in
ihrem Bauch riss sie aus ihren Gedanken und holte sie in die Realität zurück.
Um
sich
abzulenken
und
nicht
wieder
das
Bewusstsein
zu
verlieren,
betrachtete
sie
den
Sanitäter,
prägte
sich
alles
genau
ein.
Der
junge
Mann
hatte
ein
schreckliches
Piercing
an
der
Augenbraue
und
eine
blaue
John-Lennon-Brille
auf
der
Nase.
Er
schaute
kurz
zu
ihr
hinunter
und
als
er
bemerkte,
dass
sie
die
Augen
geöffnet
hatte,
lächelte
er
sie
an.
Seine
Zähne
waren
gelblich verfärbt und ließen Kaffee und Zigarettenmissbrauch vermuten.
»Es wird alles wieder gut, nur keine Angst!«, sagte er.
Sie schloss einen Moment ihre Augen und konzentrierte sich ganz auf ihr Baby.
Dann wurde eine Tür geöffnet und eine weibliche Stimme rief: »Hier rein, na los, jetzt muss alles schnell gehen!«
Sarah
hörte
noch
das
piepende
Geräusch
des
Herzmonitors,
an
den
sie
angeschlossen
wurde.
Doch
schon
bald
begannen
die
Menschen
und
der
Raum,
in
dem
sie
sich
befand,
zu
verschwimmen.
Sie
dachte
an
ihr
kleines
Mädchen,
das
sie
unter
ihrem
Herzen
trug
und
wusste
im
selben
Augenblick,
dass
sich
ihr
Schicksal
soeben
erfüllte.
Sie
hatte
ihn
in
einer
Vision
gesehen:
ihren
eigenen
Tod.
Nun
musste
sie
ihre
kleine
Tochter
zurücklassen
in
einer
Welt
voller
Gefahren
und
Hindernisse.
In einer Welt, die langsam, aber sicher zugrunde ging. Ein Kind, geboren in eine untergehende Welt.
Geboren, um eine Prophezeiung und ihr Schicksal zu erfüllen. Geboren, um eine erkrankte Welt zu retten.
DIE ENTSCHEIDUNG
»Oh,
mein
Gott,
sieh
dir
nur
dieses
entzückende
Baby
an.
Und
wie
sie
lächelt«,
sagte
die
Kinderschwester
begeistert.
Alle
in
der
Klinik
waren
hingerissen
von
dem
kleinen
Waisenmädchen,
das
den
Namen
Kyra
bekommen
hatte.
Eine
junge
Assistenzärztin
fand
einen
blutigen
Zettel
im
Mantel
von
Sarah,
auf
dem
Meine
kleine
Kyra
geschrieben
stand.
So
kam
das
Mädchen zu seinem wundervoll klingenden Namen.
Sie
war
der
Liebling
aller
Schwestern
und
Ärzte.
Nie
hörte
man
sie
weinen.
Dieses
kleine
Geschöpf
war
ein
ungewöhnlich
stilles Kind, getrennt von der mütterlichen Liebe und Zärtlichkeit, die ein Neugeborenes so dringend brauchte.
Und doch, wenn sie lächelte, dann öffneten sich die Herzen der Menschen, die sie betrachteten.
Nach
dem
Tod
ihrer
Mutter,
bei
der
man
weder
Papiere
fand
noch
ihre
Identität
feststellen
konnte,
wurde
Kyra
von
der
Fürsorge
übernommen,
die
daraufhin
recht
schnell
die
Adoption
in
die
Wege
leitete.
Einige
Ehepaare,
die
zum
Teil
schon
sehr
lange
auf
ein
Kind
warteten,
standen
zur
Auswahl.
Eines
dieser
Paare,
die
sich
sehnlichst
ein
Kind
wünschte,
waren
Ian
und Megan O’Brien.
Ian,
ein
junger
Pilot
eines
Dubliner
Multikonzerns,
und
seine
Frau
Megan,
eine
Übersetzerin
der
UNO.
Seit
einigen
Jahren
schon
versuchten
die
beiden
vergeblich,
selbst
ein
Kind
zu
bekommen,
doch
nach
reiflicher
Überlegung
und
vielen
durchdiskutierten
und
verheulten
Nächten
entschlossen
sie
sich
dazu,
ein
Kind
zu
adoptieren
und
nun
auf
diesem
Weg
eine
eigene kleine Familie zu gründen.
Es
war
ein
schöner
sonniger
Tag.
Silvia
Langer,
die
Dame
von
der
Adoptionsstelle,
war
bereits
vor
der
Kinderklinik
eingetroffen.
Ein
luftiges
Sommerkleid
umspielte
Silvia
Langers
Beine
als
sie
durch
die
Eingangstür
der
Klinik
trat.
Die
Adoptionsunterlagen
hatte
sie
unter
den
Arm
geklemmt.
Sie
hatte
sich
die
Entscheidung
keinesfalls
leicht
gemacht,
doch
nach
ausgiebiger
Recherche
und
reiflicher
Überlegung
war
ihre
Wahl
auf
die
O’Briens
gefallen.
Das
war
die
richtige
Entscheidung und ganz im Sinne der kleinen Kyra, da war Silvia sich sicher.
Silvia
Langer
war
eine
kleine
dralle
Persönlichkeit,
mit
schulterlangen
rostbraunen
Haaren
und
leuchtend
blauen
Augen.
Sie
war
immer
fröhlich,
verbreitete
ihre
positiven
Energien
so
gut
sie
nur
konnte
und
war
sehr
beliebt
bei
ihren
Kollegen
und
dem
Krankenhauspersonal.
Schon
so
manches
kleine
Geschöpf
wurde
von
ihr
vermittelt
und
immer
an
einen
ganz
besonderen Platz. Es war ganz logisch, dass auch Kyra solch einen besonderen Platz bekommen sollte.
»Kommen
Sie,
wir
wollen
uns
den
kleinen
Sonnenschein
mal
ansehen!«,
sagte
sie
strahlend
nachdem
sie
die
O’Briens
herzlich begrüßt hatte und marschierte gut gelaunt voran.
Sie
durchquerten
einen
kurzen
Gang,
in
dem
ihre
Schritte
auf
dem
gefliesten
Boden
ein
seltsam
hallendes
Echo
hervorriefen,
gingen
durch
einen
mit
abgenutzten
braunen
Bänken
ausgestatteten
Flur
und
betraten
durch
eine
weitere
Glastür
hindurch
die
Säuglingsstation.
Sie
war
hell,
freundlich
und
mit
fröhlichen
Farben
gestrichen.
An
den
Wänden
hingen
Dankeskarten von pausbäckigen Babys, überglücklichen Müttern und stolzen Vätern.
Sie gingen weiter und kamen schließlich zu dem Zimmer, in dem sich auch Kyras Bettchen befand. Durch die Scheibe sahen
sie
vier
Babys
in
ihren
kleinen
Bettchen
liegen.
Sie
sahen
einfach
nur
entzückend
aus.
Zwei
schliefen
und
eines
schrie
und
beschwerte
sich
lauthals.
Möglicherweise
hatte
es
Hunger
oder
das
arme
Würmchen
wurde
gerade
von
Darmwinden
gequält.
Die
diensthabende
Säuglingsschwester
nickte
freundlich,
als
sie
Silvia
Langer
erkannte.
Sie
wusste
bereits,
um
welchen
ihrer Schützlinge es ging und hob Kyra vorsichtig aus ihrem Bettchen.
Nach kurzer Zeit des Wartens öffnete sich die Tür und die Schwester kam mit Kyra am Arm heraus.
Megan
bekam
Kyra
in
die
Arme
gelegt.
Diese
hatte
ihre
großen
blauen
Augen
geöffnet
und
strahlte
mit
der
Kinderschwester
um
die
Wette.
Irgendwie
hatte
dieses
Baby
etwas
Magisches
an
sich.
In
ihrer
Nähe
vergaß
man
einfach
alle
Sorgen.
Silvia
Langer
sah
von
Kyra
zu
den
O’Briens,
deren
Gesichter
das
absolute
Glück
widerspiegelte,
wie
man
es
nur
bei
frischgebackenen Eltern sehen konnte und noch im selben Moment wurde ihr klar: Kyra hatte ihre Familie gefunden.
***
Kurz
nachdem
sie
Kyra
adoptiert
hatten,
kündigte
Megan
ihren
Job
bei
der
UNO
und
arbeitete
freiberuflich
als
Übersetzerin
von zu Hause aus. So hatte sie viel Zeit für ihre Tochter und trotzdem eine sinnvolle Beschäftigung, die gutes Geld brachte.
Sie
verließen
die
Großstadt,
zogen
aufs
Land
und
kauften
sich
ein
kleines
geräumiges
Häuschen
mit
einem
wundervoll
angelegten Garten. Kyra bekam eine Rutsche und eine Schaukel, die an einem riesigen Kirschbaum befestigt wurde.
Es
war
ein
richtiges
Spieleparadies
und
Megan
hoffte
bereits
am
Tage
ihres
Einzugs,
hier
bald
viele
Nachbarkinder
begrüßen zu können.
Doch
nur
vier
Jahre
später,
an
einem
sonnigen
Nachmittag
im
Juni,
veränderte
sich
von
einem
Moment
auf
den
anderen
einfach alles.
Kyra
spielte
wie
jeden
Tag
hinten
im
Garten,
als
eine
schwarze
Limousine
vor
dem
Haus
hielt
und
zwei
uniformierte
Männer
ausstiegen.
Sie
setzten
sich
ihre
Offizierskappen
auf,
richteten
ihren
Rock
und
schritten,
beinahe
im
Gleichschritt
wie
Militärs
das
eben
machten,
durch
den
Vorgarten
auf
die
Haustür
zu.
Kyra
lief
zu
der
kleinen
Holztür,
die
den
vorderen
vom
hinteren
Teil
des
Gartens
trennte.
Sie
musste
sich
auf
die
Zehenspitzen
stellen,
sich
geradezu
langmachen,
damit
sie
die
beiden
Männer
noch
sehen
konnte.
Der
jüngere
Mann
der
beiden
klopfte
an
die
Haustür
und
nach
einer
Weile
wurde
sie
geöffnet.
Kyras
Mutter
trat
heraus
und
redete
mit
den
beiden
Uniformierten.
Der
ältere
Offizier
sprach
so
leise
zu
ihr,
dass
Kyra
nicht
verstehen
konnte,
was
er
sagte.
Neugierig
versuchte
sie,
sich
auf
die
oberste
Sprosse
der
kleinen
Holztür
zu
stellen,
um
wenigstens
besser
sehen
zu
können,
was
ihr
auch
gelang,
aber
hören
konnte
sie
immer
noch
nichts.
Als
er
geendet
hatte,
bat ihre Mutter die beiden ins Haus.
Kyra
seufzte
laut
und
ging
ein
klein
wenig
enttäuscht
zurück
zu
ihrer
Schaukel.
Sie
setzte
sich
wieder
darauf
und
begann
etwas
ungelenk
mit
den
Beinen
Schwung
zu
holen.
Da
plötzlich
wurde
sie
völlig
unerwartet
von
hinten
leicht
angeschubst.
Als
sie
sich
umsah,
stand
ihr
Vater
hinter
ihr,
lächelte
sie
an
und
gab
ihr
immer
wieder
einen
leichten
Schubser.
Kyra
quietschte
vor
Vergnügen.
Sie
war
überglücklich,
dass
ihr
Daddy
wieder
einmal
zuhause
war
und
mit
ihr
spielte.
Durch
seinen
sehr
anstrengenden
und
zeitaufwändigen
Job
war
es
ihm
nicht
immer
möglich,
zu
Hause
zu
sein,
doch
heute
war
er
da
und
schubste
sie
immer
wieder
an,
es
war
wunderbar.
Doch
plötzlich
hielt
er
inne,
kam
nach
vorne
und
hockte
sich
vor
Kyra ins Gras. Er nahm ihre kleinen Hände in die seinen und sah ihr tief in die Augen.
»Mäuschen, ich habe dich ganz toll lieb, das weißt du doch, oder?«
Kyra
nickte
und
blickte
ihren
Vater
etwas
unsicher
an.
Kurz
sah
er
zu
Boden,
bevor
er
seinen
Blick
wieder
auf
seine
Tochter
richtete.
»Ich
wusste
immer,
dass
du
ein
ganz
besonderes
Mädchen
bist,
dass
du
eine
besondere
Aufgabe
im
Leben
hast
und
ein
Schicksal erfüllen musst.«
Kyra sah ihren Vater an und ohne dass es ihr bewusst war, verstand sie.
»Meine
Kleine,
ich
bin
hier,
um
mich
von
dir
zu
verabschieden
und
damit
du
Mami
sagen
kannst,
dass
ich
sie
sehr,
sehr
lieb
habe
und
sie
nicht
traurig
sein
soll,
denn
es
geht
mir
wirklich
gut,
dort
wo
ich
jetzt
hingehen
werde.
Sag
ihr
bitte,
sie
muss
unbedingt
mit
dir
nach
Irland
zurückkehren.
Es
ist
sehr
wichtig,
dass
sie
das
tut,
denn
genau
dort
wartet
dein
Schicksal
auf
dich. Kannst du das? Kannst du das für mich tun, Mäuschen?«
Kyra nickte und blickte mit großen Augen auf ihren Vater hinunter, der noch immer vor ihr kniete.
»Ich muss jetzt gehen, Kyra, aber es wird alles wieder gut, hörst du?«, sagte er leise und löste seine Hände aus den ihren.
»Daddy?«, fragte Kyra. »Sehen wir uns wieder?«
»Eines Tages sehen wir uns wieder, Kleines«, sagte er lächelnd.
»Mach‘s
gut
Daddy!«,
sagte
Kyra,
schloss
ihre
Augen
und
gab
ihrem
Vater
noch
einen
Kuss
auf
die
Wange.
Als
sie
ihre
Augen wieder öffnete, war er verschwunden.
Im
selben
Moment
hörte
Kyra,
wie
die
Haustür
geöffnet
wurde.
Leise
schlich
sie
sich
durch
die
Hintertür
ins
Haus.
Sie
ging
durch
den
Flur
ins
Vorzimmer
und
konnte
gerade
noch
sehen,
wie
die
beiden
Männer
das
Haus
verließen
und
ihre
Mutter
die
Tür
hinter
ihnen
schloss.
Kyra
ging
zu
ihr
und
blickte
fragend
zu
ihr
hoch.
Verstohlen
wischte
Megan
sich
über
die
Augen,
doch
Kyra
hatte
ihre
Tränen
längst
bemerkt.
Megan
drehte
sich
zu
ihrer
Tochter,
kniete
sich
vor
sie
wie
zuvor
der
Vater.
Sie
nahm sie in den Arm und hielt sie ganz fest.
Nachdem
sie
sich
wieder
von
ihr
gelöst
hatte,
reichte
sie
dem
kleinen
Mädchen
die
Hand
und
führte
es
ins
Wohnzimmer.
Dort
setzten
sich
die
beiden
auf
die
alte
Couch.
Megan
nahm
Kyra
auf
den
Schoß
und
hielt
ihre
kleinen
Händchen
fest
in
den ihren. Sie atmete tief durch. »Spatz, ich muss dir was sagen!«
Kyra
zog
ihre
Hände
aus
dem
sanften
Griff
ihrer
Mutter
und
nahm
im
Gegenzug
deren
große
Hände
in
ihre
kleinen,
ganz
so,
als wäre sie die Mutter und Megan das Kind.
»Daddy war hier«, sagte die Kleine. Megan starrte ihre Tochter mit offenem Mund an.
»Ich
soll
dir
sagen,
dass
er
dich
sehr,
sehr
lieb
hat
und
du
nicht
traurig
sein
sollst,
denn
es
geht
ihm
gut
dort,
wo
er
jetzt
ist,
aber er muss jetzt gehen.«
Megan schnappte hörbar nach Luft. Was redete sie da und woher wusste sie, dass…?
Sie hatte doch nicht etwa alles mit angehört? Die schreckliche Nachricht, die die beiden Offiziere ihr überbracht hatten?
Kyra sah ihrer Mutter ins Gesicht als wisse sie genau, was diese dachte.
»Er sagte auch, du sollst mit mir nach Irland gehen, denn dort ist mein Schicksal. Was ist ein Schicksal, Mami?«
Megan
konnte
immer
noch
keine
Worte
finden.
Gerade
erst
hatte
sie
erfahren,
dass
der
Jet,
den
ihr
Mann
gesteuert
hatte,
über
den
Alpen
in
ein
Gewitter
geraten
war
und
es
vermutlich
durch
einen
Blitzschlag
zum
Absturz
kam.
Die
Maschine
konnte
so
hoch
oben
noch
nicht
geborgen
werden,
weshalb
noch
nicht
klar
war,
ob
es
überhaupt
Überlebende
gab.
Ein
Such- und Rettungstrupp war jedoch unterwegs.
Wie
konnte
da
ein
kleines
vierjähriges
Mädchen
bereits
wissen,
dass
ihr
Vater
möglicherweise
nicht
mehr
nach
Hause
kommen
würde?
Megan
verstand
es
einfach
nicht
Ihre
Gedanken
fuhren
Achterbahn
und
vor
lauter
Verzweiflung
begann
sie
zu weinen. Kyra drückte sanft ihre Hände.
»Nicht weinen, Mami. Daddy hat gesagt, es wird alles wieder gut.«
DIE GEHEIMNISVOLLE TRUHE
Dreizehn
Jahre
waren
seit
dem
unglücklichen
Tag
verstrichen,
an
dem
Kyra
ihren
Vater
verloren
hatte
und
ihre
Mutter
ihren
Mann.
Megan
hatte
einige
Monate
gebraucht,
um
darüber
hinwegzukommen,
doch
schließlich
hatte
sie
ihr
ganzes
Hab
und
Gut gepackt, das Haus verkauft und war mit Kyra nach Irland gezogen.
Megan
wusste
nicht,
warum
er
sie
nach
Irland
geschickt
und
was
das
alles
mit
Kyra
zu
tun
hatte,
aber
mit
der
Zeit
kam
sie
zu
der
Ansicht,
dass
es
hier
nichts
mehr
gab,
was
sie
hielt.
Kyra
fand
das
gut,
denn
so
hatte
es
ihr
Vater
gewollt
und
so
wollte auch sie es.
Sie
übersiedelten
nach
Keylloch,
einer
kleinen
Stadt
in
der
Grafschaft
Kerry
im
Südwesten
Irlands.
Eine
alte
Großtante
von
Megan
lebte
dort.
Susanna
O’Mealy,
eine
kleine,
weißhaarige
Lady
mit
einer
unbeschreiblich
hilfsbereiten
Ader,
die
die
Einwohner
von
Keylloch
des
Öfteren
genießen
durften,
hieß
Megan
und
die
kleine
Kyra
mit
großer
Freude
willkommen.
Die
Stadt
lag
in
einem
Tal
der
MacGillycuddy‘s
Reeks,
Irlands
höchstem
Gebirgszug
und
an
den
Ufern
von
drei
prachtvollen
großen
Seen,
die
Teil
des
Nationalparks
waren.
Einer
dieser
Seen
war
der
Lough
Leane,
dessen
irische
Bezeichnung
Loch
Léin die wunderschöne Bedeutung See des Lernens hatte.
Megan
erinnerte
sich
an
ihre
Kindertage.
Immer
wenn
sie
Tante
Susanna
besuchten,
verbrachte
sie
viel
Zeit
an
diesem
See
und
sie
erinnerte
sich
auch,
wie
sie
und
der
Nachbarjunge
Connor
O'Donoghues
gemeinsam
am
Steg
saßen,
die
Füße
ins
Wasser
hängend
und
jeder
ein
Buch
im
Schoß.
Sie
liebte
diese
Momente
der
Stille
und
der
Junge
an
ihrer
Seite
genoss
es,
in
ihrer
Nähe
zu
sein,
ohne
jemals
wirklich
ein
Buch
gelesen
zu
haben,
was
er
natürlich
für
sich
behielt.
Er
war
in
dieses
hübsche
Mädchen
mit
dem
kastanienbraunen
Haar
und
den
süßen
Sommersprossen
auf
der
Nase
so
unsterblich
verliebt,
wie nur ein kleiner Junge verliebt sein konnte. Doch er hatte nie gewagt, ihr seine Gefühle zu gestehen.
Megan
war
einige
Jahre
später
mit
ihren
Eltern
nach
Österreich
gezogen
und
so
verloren
sich
die
beiden
Kinder,
die
so
gerne am Lough Lane saßen, - jeder aus einem anderen Grund - aus den Augen.
Megan
hatte
Kyra
oft
zu
diesem
für
sie
so
besonderen
Platz
mitgenommen
und
ihr
Geschichten
darüber
erzählt.
Später
als
Kyra
alt
genug
war,
um
allein
dorthin
zu
gehen,
saß
sie
oft
auf
demselben
Steg,
wie
einst
ihre
Mutter
und
las
ein
Buch.
Nur
der Junge an ihrer Seite, der fehlte noch.
***
Kyra
schlief
unruhig
in
dieser
Nacht.
Immer
wieder
warf
sie
sich
von
einer
Seite
auf
die
andere.
Ein
beängstigender
und
wirrer
Traum
quälte
sie.
Sie
bemühte
sich
nach
Kräften
aufzuwachen,
aber
es
gelang
ihr
nicht.
Schon
beinahe
verzweifelt
versuchte
sie,
sich
in
den
Arm
zu
kneifen,
aber
der
Albtraum
hielt
sie
fest
in
seinen
Fängen.
Kyra
stöhnte
leise,
konzentrierte
sich dann noch einmal und fuhr mit einem erstickten Schrei hoch.
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